1.11.2022 – es hat Tupfen :)

Heute ist es kalt und der Regen bedroht uns in unserem offenen Jeep. Bei der Morgenpirsch sitzen hinten alle in Decken gewickelt – das brauche ich nicht, denn Julian heizt seine Lizzy auf volle Stufe. Mir ist mollig warm und jetzt verstehe ich auch, warum er immer in Shorts auftreten kann ;). Wir einigen uns darauf: wenn’s regnet, dann brechen wir unsere Fahrt ab – schließlich sind wir Urlaub und können es uns gut gehen lassen. Der heutige Tag steht wieder mal unter dem Motto: Cheetah.

Gestern wurden uns 2 Cheetahs per Funk gemeldet – wir sind gefühlt stundenlang hingebrettert – es war unglaublich spannend – bis ganz zum Schluss als der Ranger vor Ort gefunkt hat: wo seid Ihr? Die Cheetahs verdrücken sich grad ins Unterholz. Nicht mal mehr die weiße Schwanzspitze haben wir gesehen. Julian setzte seinen ganzen beruflichen Ehrgeiz dran die beiden wieder zu finden – aber vergeblich.

Heute gibt es schon eine ungefähre Richtung und wir brachen mit deutlich gedämpftem Optimismus in die Richtung „urweit weg“ auf.

Ich weiß nicht, was mir besser gefällt: Nach Hinweisen und Spuren die Tiere jagen – das ist schon ein besonderer Kick – die Frustration gehört da genauso dazu, wie der Erfolg: die Sichtung, das Video, das Foto. Oder ganz entspannt mit dem Jeep durch die Gegend gondeln und einfach nehmen, was kommt und sich über jedes einzelne Tier freuen – beides hat Vorteile…

Wir fahren und fahren und tratschen über alles, was irgendwie mit Afrika zu tun hat. Julian erzählt und von der Struktur des Reservats, dem Management und der Ranger Ausbildung – es wird nicht langweilig.

Wir sehen alte Bekannte: viele, viele Warzenschweine, Büffel, Zebras und Gnus. Giraffen – auch eine importierte nubische Giraffe in einer kleinen Gruppe. Strauße mit Kücken, Rhinos – meist Breitmaulnashörner oder weiße Rhinos.

Ich kann mir mit meiner Legasthenie nie merken wer weiß und wer schwarz ist – mit der Farbe hat es nämlich nix zu tun. Die Rhinos mit wide mouths (Breitmaul) wurden durch ein Missverständnis zu „weiß“ – die Spitzmaulnashörner wurden das als Gegensatz „schwarz“ genannt. Alle Rhinos im Reservat sind enthornt.

Weißmaulnashorn kommt, wie Sabine schon sagt, nicht von der Farbe Weiß sondern vom Dutch-englischen Wort „wide“ – also Breitmaulnashorn. Es hat wirklich ein ganz breites Maul, da es ein Grasfresser ist. Geübte Spurenleser, oder besser Dung-Leser, erkennen das auch am Mist, denn in den Nashornhaufen der Breitmäuler ist sind nur Grasreste zu finden. Im Gegensatz dazu haben die schwarzen Rhinos, also die Spitzmaulnashörner, ein zugespitzes Maul, mich erinnert es irgendwie an einen Papageienschnabel, keine Ahnung warum  damit fressen sie Blätter und auch kleine Äste, und das wiederum findet man auch im Mist, mit der Besonderheit, dass die Äste in einem 45 Grad-Winkel abgebissen sind, da die Zähne des Spitzmaulnashorns im 45 Grad-Winkel zueinander stehen. Also kann man auch am Schädel eines Nashornskeletts erkennen, um welche der 2 Gattungen es sich handelt. Ein Spitzmaulnashorn zu sehen, ist etwas besonderes, erstens weil es weniger davon gibt und zweitens weil sie viel scheuer und oft in der Dämmerung unterwegs sind. Es ist spannend, wie sich so ein grauer Riese im dämmrigen Licht in seiner Umgebung richtiggehend verschmilzt und fast unsichtbar wird …

Diese aufwendige Prozedur muss ungefähr alle 18 Monate pro Tier wiederholt werden – das Horn wächst nach. Die Tiere werden narkotisiert – mit dem Hubschrauber aufgespürt, mit dem Narkosegewehr geschossen – dann wird das Horn mit der Säge abgesetzt. Was für ein Aufwand. Es scheint so zu sein, dass das ständige Enthornen die einzige Möglichkeit ist, die Tiere vor der Wilderei zu schützen und damit das Fortbestehen der Art zu ermöglichen. Dazu aber morgen mehr.

Wir genießen unseren Ranger Kaffee – die Stimmung im Jeep ist hervorragend – hat vielleicht auch etwas mit dem vielen Amarula Likör im Kaffee zu tun…wir fahren weiter – dorthin, wo wir gestern fast die Cheetahs gesehen hätten – nein, da ist nix zu sehen. Es ist wirklich frustrierend: Du weißt, dass sie irgendwo da sind, aber durch ihre perfekte Tarnung und den dichten Busch können sie jederzeit einfach verschwinden.

Von etwas weiter weg sehen wir den Jeep einer anderen Lodge stehen – die haben kein Viewing gemeldet – wahrscheinlich schauen sie „nur“ nach Vögeln – Vögel und Rhinos werden nicht per Funk gemeldet. Oh nein – da ist doch was: Julian grinst und präsentiert mir stolz Cheetahs!!

Und da sind sie – meine absoluten Lieblinge. Schmal, elegant und schlaksig queren sie die Straße und lassen sich aufmerksam sichernd ganz nahe am Jeep nieder. Julian meint, dass sie wohl nach Beute schauen und wir verbringen viel Zeit mit ihnen – sehen sie aber nicht mehr jagen. Nach langem Beobachten erheben sie sich und verschwinden im Busch – einfach weg. Julian erzählt von der Cheetah Population, die sich vor ein paar Jahren so erfolgreich vermehrt hatte, dass man schon an die Umsiedelung von einzelnen Gruppen dachte – da trat eine Herpes Infektion auf, die die Kitten so stark schwächte, dass sie nicht überleben konnten – der Katzenschnupfen in seiner extremsten Form hinterlässt blinde Tiere. Und dann entpuppte sich das stärkste der Cheetah Männchen als Kannibale: er tötete viele Jungtiere, bevor er selbst erschossen wurde.

Seither hegt und pflegt das Reservat seine Cheetahs ganz besonders und hofft, dass sich die Population wieder erholt. Der Austausch von Großkatzen unter den Reservaten erfolgt regelmäßig um den Genpool gesund zu erhalten und natürlich werden die Tiere DNA registriert – schließlich soll Inzucht soweit wie möglich vermieden werden. Die einzige Katze, bei der das nicht funktioniert, ist der Leopard. Leoparden kommen und gehen, wie es ihnen beliebt. Deshalb werden nahe an den Eingängen und Zäunen immer wieder Kadaver aufgehängt um Leoparden anzulocken – vielleicht bleiben sie dann ja auch…..

Wir haben noch einen Kadaver entdeckt: eine tote Giraffe wurde ausgelegt, damit an diesem Ort die anfliegenden Geier gezählt werden. Wenn man aufmerksam ist, dann sind viele viele Managementmaßnahmen sichtbar – auch wenn die Tiere hier nicht mit Funkhalsbändern versehen sind. Wie gerne würde ich da mehr erfahren – na schauen wir mal…

Nochmals zurück zu den Cheetahs: sie sind extrem gefährdet und werden stark gewildert. Nicht mehr wegen ihres Pelzes, sondern weil sich Cheetahs relativ gut zähmen lassen und zur Jagd abgerichtet werden können. In den arabischen Ländern werden sie gemeinsam mit den Salukis und Falken zur Antilopenjagd verwendet. Leider überleben viele, viele Cheetah Kitten die Schmuggelversuche nicht – ganz ähnlich wie beim Welpenschmuggel bei uns zu Hause.

Beim Heimfahren, als wir vor unserem Jeep die Straußenkücken laufen sehen, erzählt Julian von dem Mimikry Maßnahmen der schutzlosen Jungtiere: Straußenkücken schauen von oben aus, wie Stachelschweine – das soll Raubvögel abhalten und auch Cheetah Kitten haben eine ganz seltsame Fellzeichnung und eine richtige Mähne am Rücken – sie erinnern an den Honigdachs  – der zu den aggressivsten Tieren in Afrika gehört – und mit dem sich Löwen und Hyänen – die Todfeinde der Geparden – nicht so gerne anlegen – vom Mimikry kommen wir nahtlos zu den „Follow Me“ Zeichen, die viele Rudeltiere tragen – am deutlichsten ist wohl der große weiße Kreis rund um den Schwanzansatz der Wasserböcke…. Und so fachsimpeln wir uns durch die Gegend. Julian erzählt vom Reservat – ich kann ein  bissl was aus meinem Veterinärwissen auspacken und Nina, die schon ÜBERALL war, kann erzählen, wie es dort war.

Ich war überhaupt nicht überall, aber dort wo ich war, hat es mit immer gut gefallen 😉 außerdem hab ich beim Fachsimpeln in meiner hinteren Reihe einfach nur die Fahrt genossen und die Landschaft in mich aufgesogen. Ich bin einfach nur zutiefst zufrieden und glücklich, da im Busch…!

Und zu den follow me signs fallt mir grad noch ein, dass die Löwen deshalb an den Ohren und an der Schwanzspitze schwarze Marken haben, damit sich die Jungen daran orientieren können, wenn die Großen perfekt getarnt in ihrem fahlen Goldgelb durch das ebenso gefärbte Steppengras vorneweg wandern.

Wir fahren sehr zufrieden nach Hause und freuen uns schon auf morgen – da werden wir… ach das erzähle ich morgen